Keine Kündigung bei polemischen Äußerungen

Berlin. Ein Mieter darf auch während einer Besichtigung des Vermieters mit einem Kaufinteressenten seinen Unmut über den Vermieter frei äußern. Ihm kann deswegen nicht fristlos gekündigt werden. Dies gilt auch dann, wenn er Zettel mit der Aufschrift „Mieter wehren sich erfolgreich“ in den Hof wirft. Dieses Recht auf freie Meinungsäußerung bestätigte der Berliner Verfassungsgerichtshof in einem Beschluss vom 22. Januar 2008 (AZ: 70/06).


Der Vermieter besichtigte mit einem Kaufinteressenten das Mehrfamilienhaus. Als sie sich im Hof befanden, warf ein Mieter Handzettel mit dem besagten Aufdruck hinunter. Auf dem Zettel wurde außerdem auf eine Homepage verwiesen, die mehrere Mieter des Hauses zur Unterstützung des Mieterprotestes eingerichtet hatten. Als der Interessent seine Kaufabsicht aufgab, kündigte der Vermieter diesem Mieter fristlos die Wohnung und erhob Räumungsklage. Nachdem er vor Gericht gescheitert war, erhob er vor dem Landesverfassungsgerichtshof Verfassungsbeschwerde.

Nach Abwägung der Grundrechte auf Eigentum einerseits und auf freie Meinungsäußerung andererseits wies der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsbeschwerde zurück. Auch polemische und verletzende Äußerungen könnten unter den Schutzbereich der freien Meinungsäußerung fallen. Selbst wenn damit die wirtschaftlichen Interessen des Anderen beeinträchtigt werden, verlieren die Äußerungen nicht den verfassungsrechtlichen Schutz. Begrenzt ist dieser Schutz bei unzulässiger Schmähkritik und Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Das Herabwerfen der Zettel hat jedoch aus objektiver Sicht keiner Ehrverletzung gedient. Die Botschaft ist zwar dazu geeignet, einen Käufer abzuschrecken, stellt aber eine zulässige Meinungsäußerung und daher keinen Kündigungsgrund dar.