Februar 2015 - Diagnosefehler: Arzt haftet nur unter bestimmten Voraussetzungen

Koblenz/Berlin. Diagnoseirrtümer kann ein Arzt nicht immer vermeiden. Diagnostiziert ein Arzt das Naheliegende, obwohl das Fernliegende korrekt gewesen wäre, ist dies kein vorwerfbarer Diagnosefehler, entschied das Oberlandesgericht Koblenz am 26. August 2014 (AZ: 5 U 222/14).

Wegen einer Neuralgie erhielt die Patientin das Medikament Carbamazepin. Nach rund drei Wochen musste sie ab dem 19. Oktober 2010 außerdem ein Antibiotikum, Amoxicillin, einnehmen. Wegen einer heftigen Hautreaktion am gesamten Körper suchte die Frau am darauffolgenden Tag die Notfallambulanz eines Krankenhauses auf. Die behandelnde Ärztin vermutete eine allergische Reaktion auf das Antibiotikum. Sie schickte die Patientin unter anderem mit der Empfehlung nach Hause, ein Antihistaminikum zu nehmen.

Der weitere Krankheitsverlauf war derart dramatisch, dass sich die Frau ab dem 29. Oktober in einer anderen Klinik stationär behandeln lassen musste. Nachdem die Ärzte dort das Carbamazepin abgesetzt hatten, besserten sich die dermatologischen Beschwerden deutlich. Die Frau verklagte das Krankenhaus, in dem sie zunächst die Notfallambulanz aufgesucht hatte, auf Schadensersatz. Sie war der Meinung, die Ärzte hätten die Symptome für eine Unverträglichkeitsreaktion auf das Medikament Carbamazepin nicht erkannt.

Ohne Erfolg. Es handelt sich nicht um einen vorwerfbaren Diagnosefehler, entschieden die Richter. Für einen Diagnosefehler haftet ein Arzt nur unter bestimmten Voraussetzungen. Grundsätzlich ist es zwar als Behandlungsfehler zu werten, wenn ein Arzt eine feststellbare Erkrankung und deren Symptome nicht erkennt. Irrtümer bei der Diagnose sind dem Arzt jedoch oft gar nicht vorzuwerfen. So sind nämlich die Symptome einer Erkrankung nicht immer eindeutig, sondern könnten auf die verschiedensten Ursachen hinweisen.

Das gilt auch, wenn man die vielen technischen Hilfsmittel berücksichtigt, die zur Gewinnung von zutreffenden Untersuchungsergebnissen einzusetzen sind. Diagnoseirrtümer, die auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen sind, kann man deshalb nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler werten.

Die angenommene allergische Reaktion auf das tags zuvor erstmals eingenommene Antibiotikum hat viel näher gelegen als eine Unverträglichkeit des schon länger eingesetzten Carbamazepin. Entscheidend ist daher, dass die Ärztin nicht damit rechnen musste, dass das scheinbar Naheliegende wohl nicht zutrrifft, während sie mit dem Fernliegenden die wohl richtige Diagnose gestellt hätte. Hier trifft sie keine Schuld.