Hort des Rechts - Das Sozialgericht

Der Hort des Rechts ist das Gericht - Sagt man! Doch nicht alle sind immer dieser Meinung. Mein Fachgebiet ist das Arbeitsrecht. Als Arbeitsrechtler bin ich an schnelle Entscheidungen und Verfahrensbeendigungen gewöhnt.

Der Arbeitgeber kündigt, der Arbeitnehmer sucht einen Anwalt auf, dieser erhebt Klage zum örtlich zuständigen Arbeitsgericht und kurz darauf erhält man die Ladung zum Gerichtstermin. In diesem ersten Termin, einem sogenannten Gütetermin, ist es die einzige Aufgabe des Gerichts, auszuloten, ob eine gütliche Einigung der Parteien mit gerichtlicher Hilfe möglich ist.

Am Ende dieses Termins stehen sehr häufig gerichtliche Vergleiche, die den Rechtsstreit beenden. So vergeht häufig gerade mal ein Monat von der Klageerhebung bis zur Beendigung des Rechtsstreits und alle sind (meistens) zufrieden. So arbeiten Arbeitsgerichte und Fachanwälte für Arbeitsrecht.

Wenn man das Sozialrechtlern erzählt, dann staunen die ungläubig. Erhebt man eine Klage vor dem Sozialgericht, kann man die Akte getrost für 6 Monate auf Wiedervorlage legen. Nichts passiert! Gerichtsverfahren vor den Sozialgerichten haben eine Verfahrensdauer von einem bis zwei Jahren. Ein Alptraum für jemanden, der sein Recht alsbald in Form einer gerichtlichen Entscheidung in seinen Händen halten möchte.

Und dann ist da noch die 2. Instanz und manchmal auch noch das Bundessozialgericht als 3. Instanz. Sechs Jahre Verfahrensdauer und mehr sind da keine Seltenheit. Fürwahr ein Alptraum. Und doch, mich dünkt, als seien unsere Sozialgerichte der Hort des Rechts.

Warum? Nun, seit dem 14.12.2010 bemüht sich eine öffentlich rechtliche Institution mit unlauteren Mitteln, ja geradezu in rechtswidriger Weise an das Geld von Unternehmen zu kommen. Leser dieses Blogs wissen, wovon ich rede. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am besagten Tag der Christlichen Gewerkschaft für Zeitarbeit und Personal-Service Agenturen (CGZP) die Tariffähigkeit abgesprochen. Nach dem Tenor des Beschlusses ausdrücklich und unzweifelhaft für Gegenwart und Zukunft – ausdrücklich nicht für die Vergangenheit.

Da schlug die Stunde der Deutschen Rentenversicherung, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie kümmerte sich nicht einen Deut um die Ausführungen des BAG, einer Reihe von Landesarbeitsgerichten und vor allem um die eindeutige Entscheidung des Landessozialgerichts München und ordnete bei den Zeitarbeitsfirmen Prüfungen an, die Zeiträume betraf, die vor der Entscheidung vom 14.12.2010 lagen, namentlich 2005 bis 2009.

Das Urteil des Landessozialgerichts München sagt – ohne dass es den Fall des BAG betroffen hätte, denn: Sozialgerichte sind nicht so schnell – dass rechtskräftig abgeschlossene Prüfungszeiträume nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen wieder aufgerollt werden dürfen, die im Falle der Anwendung des Tarifvertrages mit der CGZP allesamt unstreitig nicht vorliegen. Eine einsame aber gut begründete Entscheidung, wie ein Leuchtturm in der Brandung, eben ein Hort des Rechts.

Aber. Die Deutsche Rentenversicherung ficht das nicht an. Seit dem Frühjahr finden allenthalben Prüfungen der DRV bei den Zeitarbeitsfirmen überall im Land statt. Und der ungeduldige Arbeitsrechtler, der mit den Fragen rund um den Beschluß des BAG für seine Mandanten, die Zeitarbeitsfirmen tätig ist, wundert sich, warum es noch keine weiteren Entscheidungen gibt, die diesem rechtswidrigen Treiben ein Ende setzt.

Man stelle sich vor: Die Prüfung beim Mandanten durch die DRV findet statt. Es ergeht ein Prüfungsbescheid. Dagegen findet die Klage oder das Widerspruchsverfahren statt. Die Prüfungsbescheide geben den Firmen auf, die nach den Grundsätzen des gleichen Lohns zuwenig abgeführten Sozialversicherungsbeiträge – oftmals weit im sechsstelligen Bereich – zu zahlen. Widerspruch und/oder Klage gewähren in solchen Fällen keine aufschiebende Wirkung. Diese muß man erstreiten. Wo? Sie ahnen es: Vor dem Sozialgericht. Und zwar im Rahmen eines Eilverfahrens.

Eilverfahren vor dem Sozialgericht heißt, dass das Verfahren Monate, nicht Jahre dauert. Und dann ist es passiert. Das Sozialgericht Hamburg hat am 18.11.2011 in einem Eilverfahren die Aussetzung der sofortigen Vollziehung gegen den Prüfungsbescheid der DRV, in dem es immerhin um eine Nachzahlung von knapp 220.000 € ging, angeordnet. Die Sozialgerichtsbarkeit gibt sich eben würdevoll, gelassen und ja: langsam, aber wie es scheint unerbittlich. Und die DRV? Ist eingeknickt. Kleinlaut hat sie zu Protokoll des Sozialgerichts gegeben, dass sie sich wohl auf unsicherem rechtlichen Boden befinde und die Aussetzung nunmehr ebenfalls befürworte und die Nachforderung unter dem Vorbehalt der Rechtmäßigkeit ihres Bescheides stelle.

Dem Sozialgericht Hamburg – und es werden weitere folgen, da bin ich sicher – gebührt mein Respekt. Ich – als Arbeitsrechtler - bin nach dem wegweisenden Urteil des LSG München und des Beschlusses des SG Hamburg nun geneigt, in der Sozialgerichtsbarkeit den Hort des Rechts zu erblicken. Der ist nämlich immer da, wo rechtswidrigem staatlichen Handeln kompromisslos Einhalt geboten wird.