Tipp des Monats

Weg zum Supermarkt ist im Home-Office nicht unfallversichert

April 2024

 

Würzburg/Berlin (DAV). Wege zur Nahrungsaufnahme im Home-Office fallen nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Über eine entsprechende Entscheidung des Sozialgerichts Würzburg vom 27. März 2023 (AZ: S 5 U 6/23) informiert das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“.

Der Kläger arbeitete von zu Hause aus und fuhr mit dem Fahrrad zu einem Supermarkt, um Lebensmittel für ein Mittagessen zu besorgen. Dabei stürzte er und zog sich unter anderem einen Schlüsselbein- und Rippenserienbruch zu.

Die Berufsgenossenschaft lehnte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Sie argumentierte, dass Wege zur Nahrungsaufnahme außerhalb der eigenen Wohnung nicht unter den Schutz der Wegeunfallversicherung fallen.

Das Sozialgericht bestätigte diese Auffassung und wies die Klage ab. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist eine Verrichtung dann als Arbeitsunfall anzusehen, wenn sie in ursächlichem Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht, und der Arbeitnehmer dabei einen Schaden erleidet.

Im vorliegenden Fall habe die Verrichtung - die Nahrungsaufnahme - nicht in ursächlichem Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Arbeitnehmer gestanden. Die Nahrungsaufnahme sei eine private Angelegenheit, die nicht durch die betriebliche Tätigkeit veranlasst gewesen sei. Der Kläger sei auch nicht im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit unterwegs gewesen. Er befand sich in seiner Wohnung und nicht auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause.

Daran ändere auch die Neuregelung im Sozialrecht zum Home-Office nichts. Nach dieser Neuregelung seien auch Wege in der eigenen Wohnung versichert, wenn sie mit der versicherten Tätigkeit zusammenhingen. Diese Neuregelung gelte nur für Wege im eigenen Haushalt zur Nahrungsaufnahme. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor.

Urteile

Facebook-Scraping – Wieder kein Schadensersatz

Regensburg/Berlin (DAV). Bei Scraping erhalten Facebook-Nutzer aufgrund von Datenschutzverstößen keinen Schadensersatz. Die Deutsche Anwaltauskunft des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landgerichts Regensburg vom 11. Mai 2023 (AZ: 72 O 731/22 KOIN).

Der Kläger forderte Schadensersatz von Meta, dem Facebook-Konzern, aufgrund der Veröffentlichung seiner Daten im Darknet. Diese Daten wurden von Unbekannten über eine Sicherheitslücke bei Facebook gesammelt. Der Kläger argumentierte, dass Facebook unzureichende Sicherheitsmaßnahmen getroffen habe, um dies zu verhindern.

Das Landgericht Regensburg sah keine Grundlage für einen Schadensersatzanspruch. Insbesondere stellte das Gericht fest, dass ein Verstoß gegen Artikel 25 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) keinen Anspruch auf Schadensersatz begründet. Zudem war die Klage in Bezug auf das Fehlen eines konkreten Schadens unbegründet. Die Klage wurde daher abgewiesen.

Informationen und eine Anwaltssuche: www.anwaltauskunft.de

 

 

Quarantäne wegen Corona-Infektion – keine Gutschrift der Urlaubstage

Bonn/Berlin (DAV). Wer während seines Urlaubs wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne muss, bekommt seine Urlaubstage nicht gutgeschrieben. Ein Anspruch auf Nachgewährung besteht nur, wenn der Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn vom 7. Juli 2021 (AZ: 2 Ca 504/21), informiert die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Die Arbeitnehmerin hatte vom 30.11.2020 bis zum 12.12.2020 Urlaub. Nachdem sie sich mit Corona infizierte, musste sie auf behördliche Anordnung in der Zeit vom 27.11.2020 bis zum 07.12.2020 in Quarantäne. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Krankschreibung) lag für diesen Zeitraum nicht vor. Die Arbeitnehmerin klagte auf die Gewährung von fünf Urlaubstagen durch den Arbeitgeber.

Die Klage der Frau hatte keinen Erfolg. Für das Gericht lagen die Voraussetzungen nicht vor. Bei einer Erkrankung während des Urlaubs würden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeitstage auf den Jahresurlaub angerechnet. Die Klägerin habe aber keine Arbeitsunfähigkeit durch ein Attest nachgewiesen. Eine behördliche Quarantäneanordnung stehe einem ärztlichen Zeugnis über die Arbeitsunfähigkeit nicht gleich.

Eine analoge Anwendung der bestehenden Regelung scheide aus. Eine Erkrankung mit dem Coronavirus führe nicht zwingend und unmittelbar zu einer Arbeitsunfähigkeit.

Informationen: www.dav-arbeitsrecht.de

Keine Versicherungspflicht bei Umstellung von Ackerland in Ökofläche

Erfurt/Berlin (DAV). Wenn Landwirte auf stillgelegten Ackerflächen ausschließlich ökologische Maßnahmen durchführen, sind sie nicht als Unternehmer tätig. Damit entfällt ihre Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts vom 6. Mai 2021 (AZ: L 2 KR 1548/17). Dies ist etwa der Fall, wenn die Ackerflächen in Grünland umgewandelt werden, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Der Kläger führte auf einer intensiv als Landwirtschaft genutzten Fläche von fast 11 Hektar ökologische Maßnahmen durch. Die Eigentümerin hatte die Fläche zuvor durch Eintragung in ein sogenanntes Ökokonto entsprechenden Zwecken gewidmet. Der Boden sollte in mesophiles Grünland (Wiesen und Weiden, die von Arten dominiert werden, die mittlere Feuchtigkeits- und Temperaturverhältnisse bevorzugen) umgewandelt werden. Die Flächen wurden von Dritten gemäht; dafür erhielten sie die Mahd, ohne sie bezahlen zu müssen. Für die Maßnahmen bekam der Kläger Prämien vom Landwirtschaftsamt.

Die Landwirtschaftliche Kranken- und Pflegekasse meinte, der Kläger führe landwirtschaftliche Tätigkeiten durch, für die er Versicherungsbeiträge bezahlen müsse.

Der Mann unterliegt nicht der Versicherungspflicht, entschied das Gericht und gab der Klage statt. Der Kläger sei nicht als landwirtschaftlicher Unternehmer tätig gewesen. Seine Arbeiten wären keine landwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung. Vielmehr sollte die Fläche aus ökologischen Gründen in Übereinstimmung mit den einschlägigen Förderprogrammen stillgelegt werden. Es gebe keine Versicherungspflicht bei Landschaftspflege, die den Zielen des Natur- und Umweltschutzes diene.

Informationen: www.dav-sozialrecht.de

Kostenübernahme für Sexualassistenz nach schwerem Arbeitsunfall

Hannover/Berlin (DAV). Eine selbstbestimmte Sexualität ist Voraussetzung für eine wirksame und gleichberechtigte Teilhabe und soziale Eingliederung des Menschen mit Behinderung. Daher muss nach einem Arbeitsunfall mit schweren Verletzungen und Folgen die Berufsgenossenschaft die Kosten einer Sexualassistenz im Rahmen eines persönlichen Budgets übernehmen. Das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“ informiert über eine Entscheidung des Sozialgerichts Hannover vom 11. Juli 2022 (AZ: S 58 U 134/18).

Der 1983 geborene Kläger erlitt am 27. Dezember 2003 auf dem Heimweg von seiner Berufsausbildungsstätte mit seinem PKW einen schweren Verkehrsunfall. Sein Auto wurde an der Fahrerseite getroffen und gegen ein weiteres Fahrzeug geschleudert.  Er erlitt schwere Verletzungen, unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Die Folgen waren unter anderem Wachkoma und eine ausgeprägte Lähmung aller Extremitäten. Am 15. April 2005 wurde der Kläger nach Hause entlassen, aber mit weiterhin bestehenden hochgradigen Funktionsbeeinträchtigungen. Er benötigt Hilfe bei allen Alltagsverrichtungen wie An- und Ausziehen, Körperpflege und Nahrungsaufnahme. Der Unfall wurde als Arbeitsunfall anerkannt. Seit dem 16. September 2006 bezieht der Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100. Das zuständige Versorgungsamt hat ferner einen Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen „aG“, „G“, „H“ und „B“ anerkannt.

Auf Antrag des Klägers schloss die Berufsgenossenschaft (BG) mit dem Kläger einen Budgetvertrag und bewilligte ihm Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Dazu gehörte auch ein persönliches Budget für Sexualbegleitung durch zertifizierte Dienstleisterinnen für den Zeitraum März 2016 bis insgesamt Februar 2018. Mit einem Folgeantrag wollte der Kläger weiterhin ein solches persönliche Budget ab März 2018. Dies lehnte die BG ab. Leistungen zur Befriedigung des Sexualtriebs fielen nicht unter den Bereich der Heilbehandlung oder Pflege. Es handele sich auch nicht um Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Die Befriedigung sexueller Bedürfnisse durch den Einsatz Prostituierter ermögliche oder erleichtere nicht die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft.

Der Mann war beim Sozialgericht erfolgreich. Die Leistungen zur sozialen Teilhabe beschränkten sich nicht darauf, Kontakte zur Außenwelt zu knüpfen oder Hilfsmittel zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens bereitzustellen. Vielmehr sollten sie auch das gestörte seelische Befinden des Behinderten verbessern und sein Selbstbewusstsein stärken. Sexuelle Bedürfnisse zählten zu den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen. Daher könnten sie daher im Rahmen von Teilhabeprozessen auch indirekt eine große Rolle spielen, nämlich für die persönliche Entwicklung und das seelische Befinden. Damit sei eine selbstbestimmte Sexualität Voraussetzung für eine wirksame und gleichberechtigte Teilhabe und soziale Eingliederung des Menschen mit Behinderung.

Informationen und eine Anwaltssuche: www.anwaltauskunft.de

Das Rechtsportal anwaltauskunft.de ist eine Leistung des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Vermietung von Wohnraum „pro Matratze“ sittenwidrig

Frankfurt/Berlin (DAA). Mietverträge, die Vermietung von Wohnraum „pro Matratze“ vorsehen, sind sittenwidrig und damit nichtig. Pächter der Häuser und somit „Vermieter“ der „Matratzen“ können bei Untersagung keinen Schadensersatz wegen Ausfall dieser Mieteinnahmen einklagen. Daher hatte eine beabsichtigte Klage eines Pächters nach fristloser Kündigung des Pachtvertrags auf Schadensersatz u.a. wegen dieser entgangenen Mieteinnahmen keine Erfolgsaussicht. Das entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 18. Mai 2022 (AZ: 2 W 45/22), berichtet das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“.

Der Antragsteller pachtete vom Antragsgegner im Frühjahr 2014 für zehn Jahre drei Gebäude in Wiesbaden. Er durfte die Gebäude für Wohnzwecke nutzen und untervermieten. Bei einer Kontrolle 2015 wurden in den Gebäuden 61 Personen angetroffen. In lokaler Berichterstattung wurde von Vermietungen von Wohnraum „pro Matratze“ an Bulgaren und Rumänen gesprochen, und dass das Gebäude verwahrlose. Nach Angaben des Ordnungsamtes waren in dem Objekt 85 Personen gemeldet.

Da sich an der Situation nichts änderte, und es wegen Vermüllung zu Rattenbefall kam, wurde der Pachtvertrag im Mai 2019 fristlos gekündigt. In der Folge verlangte der Antragsteller Zahlung von gut 100.000 € Schadensersatz, u.a. wegen entgangener Mieteinnahmen. 

Das Oberlandesgericht sah keine Erfolgsaussicht für eine entsprechende Klage und wies den Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Klage ab. Dem Antragsteller stünden keinerlei Zahlungsansprüche gegen den Antragsgegner zu. Das Pachtverhältnis sei wegen Verwahrlosung der Gebäude wirksam fristlos gekündigt worden. Der Antragsteller habe die Pachtsache vernachlässigt und dadurch gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen.

Ein Anspruch auf entfallene Mieteinnahmen stehe dem Antragsteller nicht zu. Eine Untervermietung der gepachteten Räume wäre angesichts des Zustands der Pachtsache schwer oder gar nicht möglich gewesen. Die Polizei habe im August 2019 festgestellt, dass der Aufenthalt von Menschen in den Räumen einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Eine Vermietung von Wohnraum pro Matratze sei sittenwidrig und führe zur Nichtigkeit der Untermietverhältnisse. Außerdem verstießen sie gegen das Verbot der Überbelegung von Wohnraum.

Informationen und eine Anwaltssuche: www.anwaltauskunft.de