Verkehrsrecht

Unfall mit Kind am Zebrastreifen: Autofahrerin muss den Schaden allein bezahlen

Osnabrück/Berlin (DAV). Bei Unfällen mit Kindern tragen Autofahrer häufig die alleinige Schuld. Wenn ein achtjähriger Junge an einem Zebrastreifen mit einem Auto kollidiert, liegt in der Regel auch kein Verstoß gegen die Aufsichtspflicht der Eltern vor. Die Autofahrerin hätte hier den Unfall vermeiden müssen und blieb somit auch auf ihren Kosten sitzen. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landgerichts Osnabrück vom 8. Oktober 2020 (AZ: 6 S 150/20).

Eine Frau war mit ihrem Auto auf einer Hauptverkehrsstraße unterwegs, als ihr ein achtjähriger Junge auf seinem Fahrrad entgegen kam. Er fuhr zunächst allein auf dem Gehweg. In unmittelbarer Nähe eines Zebrastreifens wechselte das Kind auf die Straße und wollte auf die andere Seite. Dabei stieß es mit dem Fahrzeug der Frau zusammen. An dem Auto entstand Sachschaden, den die Klägerin von der Mutter des Kindes ersetzt haben wollte. Die Mutter habe ihre Aufsichtspflicht verletzt, indem sie ihren Sohn an der Hauptverkehrsstraße habe alleine Fahrrad fahren lassen.

Die Klage scheiterte. Die Klägerin habe keinen Anspruch aus dem Unfall gegen die Mutter, urteilte das Gericht. Die Autofahrerin treffe eine so große Schuld, sie hätte langsamer fahren und bremsbereit sein müssen. Dies sei nicht der Fall gewesen. Der Unfall habe sich direkt an einem Zebrastreifen ereignet, den der Junge benutzen wollte. Es sei unerheblich, dass er in einem Bogen zu dem Überweg gefahren sei. Dies würden Kinder oftmals so machen und nicht in einem 90 Grad-Winkel. Auch habe die Klägerin erkennen können, dass es sich um einen kleinen Jungen handelte. Daher hätte sie Unsicherheiten einkalkulieren müssen. 

Eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Mutter liege ebenfalls nicht vor. Ein achtjähriges Kind, das sicher Fahrrad fahre, dürfe ohne Aufsicht mit dem Rad am Straßenverkehr teilnehmen. Zudem war der Junge über Verkehrsregeln unterrichtet worden und bereits über eine gewisse Zeit zur Schule sowie auf anderen bekannten Wegen gefahren. Das Fazit der DAV-Verkehrsrechtsanwälte: Augen auf bei Kindern im Straßenverkehr und bremsbereit sein!

Unfall: Andere Werkstatt ist durchaus zumutbar

München/Berlin (DAV). Die gegnerische Versicherung verweist nach einem Verkehrsunfall den Geschädigten oft auf eine andere und günstigere Werkstatt. Dies muss aber dem Betroffenen zumutbar sein. Das Amtsgericht München hat sich in mehreren Entscheidungen mit dieser Frage beschäftigt. Besonders sind Entfernung und Erreichbarkeit entscheidend, wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) zu informiert.

Eine Werkstatt, die weniger als 20 Kilometer vom Wohnsitz des Geschädigten entfernt und die in 26 Minuten erreichbar ist, ist geeignet. Das Unfallopfer muss sich dann mit dieser Werkstatt zufrieden geben, heißt es in einer Entscheidung des Amtsgerichts München vom 18. Oktober 2019 (AZ: 345 C 8016/18). Bei der Überprüfung, wie lange man zur Werkstatt fährt, darf das Gericht auch Routenplaner im Internet nutzen, hob das Gericht ausdrücklich hervor.

Nicht zumutbar hält das Amtsgericht in einer Entscheidung vom 6. Juni 2019 (AZ: 134 C 50/19) eine Entfernung von 21,1 km vom Wohnort des Unfallopfers. Hier muss man sich nicht auf die von der gegnerischen Versicherung genannten günstigeren Werkstatt verweisen lassen.

Aber auch eine nur 20 Kilometer entfernte Werkstatt kann unzumutbar sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Fahrzeit zwischen 26 und 40 Minuten beträgt und keine sinnvolle öffentliche Verbindung für die Rückfahrt besteht. Dies hat das Amtsgericht München am 17. Mai 2019 (AZ: 345 C 4418 /19) entschieden.

Bei der Zumutbarkeit kommt es also auf die Entfernung nicht allein an, sondern auch auf die Erreichbarkeit und die Möglichkeit von dort wieder zurück zu kommen.

Opfer von Verkehrsunfällen sollten aber in jedem Fall die einzelnen Fragen und ihre Ansprüche durch einen Verkehrsrechtsanwalt des DAV prüfen lassen. Nur sie machen sämtliche Forderungen geltend. Die gegnerische Versicherung hat naturgemäß kein Interesse daran, umfangreichen Schadensersatz zu leisten.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

Abgasskandal: Kein Schadensersatz bei durchgeführtem Software-Update

Karlsruhe/Berlin (DAV). Wer im Dieselskandal von der Schummelsoftware beim Autokauf wusste, hat in der Regel keinen Anspruch auf Schadensersatz. Auch wer einen Gebrauchtwagen erst nach Bekanntwerden des „Abgasskandals“ kaufte und ein vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) freigegebenen Software-Update aufgespielt wurde, bekommt keinen Schadensersatz. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30. Oktober 2020 (AZ: 17 U 296/19).

Die Klägerin kaufte im Februar 2018 einen gebrauchten Audi A5 2.0 TDI. Bei dem Wagen war das vom KBA freigegebene Software-Update bereits aufgespielt. Sie wollte dennoch von dem Kauf zurücktreten. Von der Volkswagen AG verlangte sie u.a. die Rückzahlung des Kaufpreises und der Finanzierungskosten gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Die Verkäuferin habe ihr versichert, dass das Fahrzeug nicht von der „Schummelsoftware“ betroffen sei. Im Übrigen führe das Update in vielen Fällen zu Schäden. Es enthalte wiederum selbst illegale Abschalteinrichtungen, zum Beispiel ein sogenanntes Thermofenster. Auch habe die Herstellerin von vornherein gewusst, dass die Abgaswerte wieder nicht eingehalten werden könnten. Das KBA habe die Freigabe gesetzeswidrig erteilt.

Die Klage der Frau wurde abgewiesen. Eine Haftung für die ursprünglich in den Fahrzeugen integrierte Software scheide bei einem Erwerb des Fahrzeugs ab Herbst 2015 aus. Eine Haftung komme aber auch nicht für etwaige nachteilige Folgen des Software-Updates in Betracht. Diese würden laut der Klägerin angeblich bei vielen Fahrzeugen auftreten. Sie habe nicht behauptet, dass solche Folgen an ihrem Pkw vorgekommen seien. Eine Haftung folge auch nicht wegen der Behauptung der Klägerin, dass das sogenannte „Thermofenster“ unzulässig sei. Zum einen wurde dieses „Thermofenster“ unstreitig gegenüber dem KBA offengelegt, von diesem geprüft und zugelassen. 

Das Thema Abgasskandal bleibt nach Ansicht der DAV-Verkehrsrechtsanwälte nach wie vor aktuell. Nach den Diesel-Pkw würden auch solche Wohnmobile oder auch Benziner in das Blickfeld rücken. Zu prüfen sei, ob auch diese mit unzulässiger Software ausgestattet wurden.

Alkohol am Steuer: Gleiche Promillegrenzen für E-Scooter- wie für Autofahrer

Osnabrück/Berlin (DAV). Für die Fahrt mit einem E-Scooter gelten die gleichen Promillegrenzen wie bei Pkw. E-Scooter sind Fahrrädern nicht gleichgestellt, eine Orientierung an der Gefährlichkeit eines Fahrzeuges gibt es nicht. Es kommt allein auf die Eigenschaft als „Kraftfahrzeug“ an. Dies entschied das Landgericht Osnabrück am 16. Oktober 2020 (AZ: 10 Qs 54/20), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert.

Ein junger Mann wurde gegen zwei Uhr morgens von Polizeibeamten auf seinem E-Scooter gestoppt. Bei der Blutprobe ergaben sich 1,54 Promille. Ihm wurde wegen dem dringendem Tatverdacht der Trunkenheit im Straßenverkehr schon vor der Verurteilung vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen.

Dagegen klagte der Mann. Er meinte, die Promillegrenze von 1,1 wie bei Autos würde nicht gelten. Das Gefahrenpotential von E-Scootern und Fahrrädern sei eher vergleichbar als das von E-Scootern und Pkw. Daher müsse die für Fahrradfahrer geltende Promillegrenze der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,6 Promille gelten.

Dieser Sichtweise folgte das Gericht nicht. Für Fahrer von E-Scootern würden die gleichen Promillegrenzen wie für den motorisierten Verkehr gelten. Es folge aus den rechtlichen Sonderbestimmungen für elektrische Kleinfahrzeuge, dass diese Kraftfahrzeuge darstellten und gerade nicht Fahrrädern gleichgestellt wären. Eine Unterscheidung nach Gefährlichkeit zwischen unterschiedlichen Typen von Kraftfahrzeugen gebe es nicht. Daher sei der Entzug der Fahrerlaubnis rechtmäßig erfolgt.

Zurecht sei das Amtsgericht deshalb hier bei einer Blutalkoholkonzentration von deutlich mehr als 1,1 Promille von absoluter Fahruntüchtigkeit ausgegangen.

Bei Trunkenheit im Straßenverkehr drohen eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, warnen die DAV-Verkehrsrechtsanwälte. Zudem muss der Beschuldigte mit der endgültigen Entziehung der Fahrerlaubnis rechnen.

 
 

Haftung bei Kollision einer Kuh mit geparktem Fahrzeug

Koblenz/Berlin (DAV). Werden Kühe von einer Weide auf die andere getrieben, muss der Landwirt vorsichtig sein. Beschädigen die Kühe geparkte Autos, haftet er auch dann, wenn das Auto unerlaubt an einem Feldweg stand. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landgerichts Koblenz vom 9. Oktober 2020 (AZ: 13 S 45/19), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Der Autofahrer stellte sein Fahrzeug neben einer Baustelle im Westerwald auf einer mit Schotter befestigten Fläche am Rande eines Feldwegs ab. Auf der unmittelbar angrenzenden Weide waren 21 Kühe. Der Landwirt trieb die Kühe auf eine gegenüberliegende Weide. Zwischen dem Auto des Klägers und der Baustelle blieb für die Kühe ein nur wenige Meter breiter Weg. Der Landwirt stellte sich mit dem Rücken zum Auto, während die Kühe an dem Fahrzeug vorbeiliefen. Zeugen bestätigten, dass das Fahrzeug vorher unbeschädigt war. Nachdem die Kuhherde den Wagen passiert hatte, war jedoch eine Delle an der hinteren Tür. Weiterhin bestätigte ein Zeuge, dass er dem Landwirt gesagt habe, der Fahrer sei in etwa zehn Minuten wieder zurück und könne das Fahrzeug umparken. Der Landwirt bestritt, dass eine seiner Kühe den Schaden verursacht habe. Er habe mit dem Abschirmen des Autos die erforderliche Sorgfalt gewahrt. In jedem Fall liege aber zumindest ein Mitverschulden des Fahrers wegen verbotswidrigen Parkens vor.

Die Klage auf Schadensersatz war erfolgreich. Nach Auffassung des Landgerichts hätten die Kühe das Auto beschädigt. Laut den Zeugen habe das Fahrzeug gewackelt, als die Kühe vorbei getrieben wurden. Außerdem wurden durch die Zeugen und dem Sachverständigen Kuhhaare an dem Auto festgestellt. Zudem sei es nachvollziehbar, dass die vorgefundene Delle von einer Kuh verursacht wurde.

Der Landwirt hätte warten können, bis das Fahrzeug innerhalb der nächsten zehn Minuten umgeparkt werden konnte. Es sei ohne weiteres ersichtlich gewesen, dass die Kühe zwischen Auto und Baustelle durch eine sehr schmale getrieben werden mussten und dieses „Unterfangen sehr gefahrgeneigt“ war. Daher müsse der Bauer Schadensersatz zahlen. Das Gericht sah auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kühe augenblicklich auf eine andere Weide getrieben werden mussten. Der Landwirt hätte also die relativ kurze Zeit warten können. Da diese Sorgfaltspflichtverletzung so erheblich sei, komme es nicht darauf an, ob der Pkw sorgfaltswidrig oder gar verbotswidrig geparkt wurde.

Unfall in Motorradkonvoi

Koblenz/Berlin (DAV) - Bei Fahrten in einem Motorradkonvoi müssen die Biker erhebliche Vorsicht walten lassen. Wer nicht auf seinen abbremsenden Vordermann achtet, ist allein an einem Unfall schuld. In den meisten Fällen sonst haften die Fahrer gemeinsam. In dem Fall, über den die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert, entschied das Oberlandesgericht Koblenz vom 24. August 2020 (AZ: 12 U 1962/19) zudem: Der Vorausfahrende muss mit 20 Prozent wegen der Betriebsgefahr des Motorrades haften. Der Unfall wäre vermeidbar gewesen, wenn er stärker auf die Motorräder hinter sich geachtet hätte. 

Der Kläger fuhr bei einem gemeinsamen Motorradausflug hinter dem Beklagten. Bei der Einmündung einer Bundesstraße dachte der Kläger, dass man noch zügig über die Kreuzung fahren könnte. Dies erwartete er auch von seinem Vordermann. Dieser bremste allerdings ab. Der Kläger konnte nicht rechtzeitig bremsen und wich nach rechts aus. Beide Motorräder berührten sich leicht und der Kläger fiel nach rechts gegen einen Pfosten der Leitplanke. Er erlitt schwerste körperliche Verletzungen mit irreparablen Schäden. Vom Kläger verlangte er Schadensersatz und Schmerzensgeld auf der Grundlage einer Haftungsquote von 50 Prozent.

Nachdem das Landgericht noch jeglichen Anspruch ablehnte, sprach ihm das Oberlandesgericht 20 Prozent zu. Die Höhe resultiere allerdings allein aus der Betriebsgefahr des Motorrades des Beklagten. Zwar treffen ihn keine Schuld, als Idealfahrer hätte er den Unfall aber abwenden können. In einem Konvoi könnte man besser auf den Hintermann vor einer Kreuzung achten. Der Kläger dagegen habe die alleinige Schuld an dem Unfall. Er habe entweder den Abstand nicht eingehalten, sei zu schnell gefahren oder nicht aufmerksam genug gewesen.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

 

Radfahrverbot nach Fahrradfahrt mit 1,6 Promille

Neustadt/Berlin (DAV) - Wer mit 1,6 Promille auf dem Fahrrad erwischt wird, riskiert seinen Führerschein. Das ist allgemein bekannt. Aber auch das Fahrradfahren kann verboten werden! Wer das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten (MPU) nicht fristgerecht beibringt, dem kann verboten werden, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt (Weinstraße) vom 12. August 2020 (AZ: 1 K 48/20.NW). Dies gilt auch dann, wenn der Alkoholsünder angibt, auf das Rad angewiesen zu sein. Das Gericht verwies ausdrücklich auf die erheblichen Gefahren, die von alkoholbedingt ungeeigneten Fahrradfahrern ausgehen, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Der Kläger fuhr auffällig mit dem Fahrrad. Beim Eintreffen der Polizei schob er das Fahrrad. Ein freiwilliger Atemalkoholtest lag bei 1,73 Promille. Der Kläger willigte in eine Blutprobe ein und gab an, drei bis vier Weinschorlen getrunken zu haben. Der Arzt stellte eine sehr starke Beeinflussung durch Alkohol fest. Die Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration in Höhe von 2,21 Promille. Nach der Verurteilung wegen der Trunkenheitsfahrt sollte der Mann ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) zu seiner Fahreignung vorlegen. Da der Kläger das Gutachten nicht beibrachte, wurde ihm die Nutzung aller fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr untersagt.

Dagegen klagte der Mann. Er sei erstmalig mit dem Fahrrad im Straßenverkehr auffällig geworden. Dies müsse berücksichtigt werden. Die MPU habe er sich nicht leisten können. Als Kind habe er den Radsport "professionell" betrieben, hatte aber im Alter von zwölf Jahren einen schweren Unfall mit einem Schädelbasisbruch und bleibenden Gehirnschäden. Aufgrund dieser Behinderung habe er keine Berufsausbildung absolviert. Er sei auf die Nutzung eines Fahrrads für Außenkontakte, Arztbesuche und zur Versorgung seiner Mutter existenziell angewiesen.

Die Klage des Mannes wurde dennoch abgewiesen. Das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge aller Art und damit auch ein Fahrrad im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, sei rechtmäßig. Die Anordnung der MPU sei zu Recht erfolgt. Bei 1,6 Promille im Straßenverkehr sei die Fahrerlaubnisbehörde dazu berechtigt. Lege der Betroffene das angeforderte Gutachten nicht oder nicht fristgerecht vor, dürfe die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen schließen.

Die „fehlenden finanziellen Mittel“ des Klägers beeindruckten das Gericht ebenso wenig wie der Umstand, dass er erstmals mit dem Fahrrad unter Alkoholeinfluss erwischt worden war. Die Anordnung der MPU mache dies nicht unverhältnismäßig. „Die Gefahren, die von alkoholbedingt ungeeigneten Fahrradfahrern ausgingen, sind nicht unerheblich, sondern können auch zu schwerwiegenden Schadensereignissen führen“, so das Gericht.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

 

Mit Martinshorn und Blaulicht - Feuerwehr kann bei Unfall haften

Köln/Berlin (DAV) - Auch wenn ein Feuerwehrfahrzeug mit Martinshorn und Blaulicht unterwegs ist, muss der Fahrer aufpassen, andere Fahrzeuge nicht zu beschädigen. Bei einem leichtfertig verursachten Unfall kann die Feuerwehr dann allein haften. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landgerichts Köln vom 19. September 2020 (AZ: 5 O 58/18), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Der Kläger verlangte nach einem Verkehrsunfall mit einem Feuerwehrlöschzug Schadensersatz. Er hatte vor einer roten Ampel stadtauswärts gestanden, als das Feuerwehrfahrzeug mit Martinshorn und Blaulicht stadteinwärts an ihm vorbeifuhr. Es fuhr hinter seinem Auto über die weiße, durchgehende Linie und wendete scharf, um seine Fahrt stadtauswärts fortzusetzen. Der Kläger behauptete, bei dem Wendemanöver hätte das Feuerwehrfahrzeug sein Auto an zwei Stellen am Heck beschädigt. Ihm sei ein Schaden von 1.928,71 Euro entstanden, den er von der Stadt ersetzt haben wollte. Er selbst habe noch versucht, auszuweichen und möglichst nahe an das nächste Auto in der Schlange vor ihm heranzufahren, um eine Kollision zu vermeiden.

Die Stadt bestritt, dass es überhaupt zu einem Anstoß durch das Feuerwehrauto gekommen sei. Auch sei das Fahrzeug nur im Schritttempo gefahren.

Das Landgericht hörte eine Zeugin und holte ein Sachverständigengutachten ein. Danach gab es der Klage teilweise statt, denn die Richter kamen zur Erkenntnis, dass das Löschfahrzeug das Auto des Klägers gestreift haben müsse. Die alleinige Schuld habe daher der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs. Allerdings konnte an dem Auto des Klägers nur eine Stelle als Schaden durch diesen Unfall nachgewiesen werden. Der Sachverständige war zu dem Ergebnis gekommen, dass nur die Schürfspur an der hinteren rechten Seite des Autos vom Feuerwehrauto stammen könne. Er verglich sie mit den Schäden am Löschfahrzeug. Die Beschädigungen an der linken Seite des Autos habe es bereits vor dem Unfall gegeben.

Das Gericht begründete in seinem Urteil, zwar müsse grundsätzlich einem Fahrzeug im Einsatz mit Martinshorn und Blaulicht freie Bahn gewährt werden. Die Stadt Köln habe aber nicht nachweisen können, dass der Kläger hätte ausweichen können, um eine Kollision zu vermeiden. Der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs hätte beim Wendemanöver besser Abstand halten müssen.

E-Bike-Fahrer dürfen mehr trinken als Autofahrer: Im Sattel erst mit 1,6 Promille absolut fahruntüchtig

Karlsruhe/Berlin (DAV). Wer mit 1,1 Promille oder mehr ein Auto führt, ist absolut fahruntüchtig und muss sich auf eine Bestrafung wegen Trunkenheit im Verkehr gefasst machen. Bei handelsüblichen Elektrofahrrädern ("Pedelecs") liegt der Wert für die absolute Fahruntüchtigkeit aber wie bei Fahrradfahrern bei 1,6 Promille. Denn derzeit gibt es dazu keine gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse. Dies folgt aus einer Mitteilung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2020 (AZ: 2 Rv 35 Ss 175/20).

Der Angeklagte kollidierte als Fahrer eines "Pedelecs" mit einer Fahrradfahrerin, die seine Vorfahrt missachtet hatte. Dabei hatte er eine Alkoholkonzentration von 1,59 Promille im Blut. Die vorhandenen Beweise ergaben nicht, dass der Angeklagte deshalb alkoholbedingt nicht mehr zum Führen des Fahrzeugs in der Lage war. Eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr unter dem Gesichtspunkt der relativen Fahruntüchtigkeit (mindestens 0,3 Promille plus Ausfallerscheinungen) kam deshalb nicht in Betracht. Eine Ordnungswidrigkeit wegen Fahrens mit mindestens 0,25 Milligramm/Liter Alkohol in der Atemluft oder mindestens 0,5 Promille Alkohol im Blut, lag ebenfalls nicht vor, da "Pedelecs" mit einer Begrenzung auf 25 km/h Motorleistung keine Kraftfahrzeuge im Sinne des Straßenverkehrsrechts sind. Daher sprachen das Amtsgericht und das Landgericht den Angeklagten frei. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Revision ein.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts gebe es aber derzeit keine gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, dass für Fahrer von handelsüblichen Elektrofahrrädern ("Pedelecs") die Grenze von 1,6 Promille nicht gelte, wenn die motorunterstützte Geschwindigkeit auf 25 km/h begrenzt sei. Pedelecs seien schließlich keine Kraftfahrzeuge und es müssten die Grenzen wie für Fahrradfahrer gelten.

Die Rechtsprechung des BGH, wonach der Führer eines Kraftfahrzeugs bereits von einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille an unwiderleglich fahruntüchtig und wegen Trunkenheit im Verkehr zu bestrafen ist, findet daher auf solche "Pedelecs" nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung keine Anwendung, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

 

Unfall mit parkendem Wagen: Ohne Mindestabstand haftet man mit

Frankenthal/Berlin (DAV). Nach dem Parken muss man beim Öffnen der Autotür besonders vorsichtig sein. Aber auch für die vorbeifahrenden Fahrzeuge gelten Vorsichtsregeln, denn wie beim Überholen muss hier ebenfalls die Abstandsregel bei geparkten Fahrzeugen beachtet werden. Wer nur mit 30-35 Zentimetern an geparkten Autos vorbeifährt, ist bei einer Türkollision mitschuldig. In der Regel haftet der Vorbeifahrende zu einem Drittel. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Amtsgerichts Frankenthal vom 26. Juni 2020 (AZ: 3c C 61/19).

Zu dem Unfall kam es, als der Kläger die Fahrertür seines geparkten Autos öffnete. Der Beklagte fuhr in diesem Moment vorbei und kollidierte mit der Tür des Parkenden. Er sagte, der Beklagte sei zu dicht an seinem Wagen vorbei gefahren und machte Schadensersatz von 5.361,53 Euro geltend. 

Das Amtsgericht befragte Zeugen sowie einen Sachverständigen und sprach dem Kläger ein Drittel des Gesamtschadens zu. Der Kläger habe den Schaden durch Unachtsamkeit beim Ausstieg aus dem Fahrzeug überwiegend selbst verschuldet. Beim Ein- oder Aussteigen aus dem Fahrzeug müsse man sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei, urteilte das Gericht und gab dem Verursacher mit auf den Weg, er müsse den Verkehr durch die Rückspiegel und erforderlichenfalls durch die Fenster genau beobachten. Die Wagentür dürfe nur geöffnet werden, wenn sicher sei, dass niemand gefährdet werde. Diesen Anforderungen sei er nicht gerecht geworden.

Der Beklagte habe den Unfall jedoch mitverursacht. Er sei an dem Klägerfahrzeug ohne ausreichenden Seitenabstand vorbeigefahren. Es dürfe nur überholt werden, wenn der Abstand ausreichend sei und eine Behinderung, Gefährdung oder gar Schädigung des Überholten vermieden werden kann. Gleiches gelte für das Vorbeifahren an stehenden Fahrzeugen. Der Beklagte sei mit einem deutlich zu geringen Seitenabstand von lediglich 30–35 Zentimetern vorbeigefahren. Dies stehe ebenfalls zur Überzeugung des Gerichts als Ergebnis der Beweisaufnahme fest.

Der Unfallbeitrag des Klägers wiege aber schwerer. Er habe durch das Öffnen der Tür die Gefahrensituation erst geschaffen. Der Beklagte habe demgegenüber lediglich das Fehlverhalten des Fahrzeugführers nicht in angemessener Weise antizipiert und einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten. Dies führe im Ergebnis zu einer Haftungsverteilung im Verhältnis einem Drittel zu zwei Dritteln zu Lasten des Klägers.