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Erhöhung des Regelsatzes bei Handyverstoß: Verdoppelung bei aggressiven Verhalten

Ellwangen/Berlin (DAV). Ein Handyverstoß im Straßenverkehr, kombiniert mit aggressivem und respektlosem Verhalten gegenüber der Polizei, kann zu einer Verdoppelung des regulären Bußgeldes führen. Dies entscheid das Amtsgericht Ellwangen am 14. April 2023 (AZ: 7 OWi 36 Js 5096/23), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Der Betroffene, der einen Abschlepp- und Pannendienst betreibt, wurde von einer Polizeistreife erwischt, als er während der Fahrt sein Smartphone benutzte. Er wurde von der Polizei angehalten und reagierte feindselig, zudem bezeichnete er den Handyverstoß als „Kleinigkeit“. Weiterhin drohte er den Polizeibeamten damit, nie wieder für die Polizei Fahrzeuge abzuschleppen und hinterfragte deren Prioritäten. Zusätzlich schlug er aus Wut mit der flachen Hand auf die Motorhaube des Polizeifahrzeugs.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen aufgrund seiner vorschriftswidrigen Benutzung eines elektronischen Gerätes während der Fahrt zu einer Geldbuße von 200 Euro, obwohl die reguläre Geldbuße für einen solchen Verstoß nur 100 Euro beträgt. Das Gericht begründete diese Erhöhung mit dem aggressiven Verhalten und der fehlenden Einsicht des Betroffenen.

Werbung per Post weiterhin zulässig – Datenschutz muss aber beachtet werden

Stuttgart/Berlin (DAV). Werbeschreiben an Personen im Wege des Lettershop-Verfahrens müssen hingenommen werden. Die Firmen haben ein berechtigtes Interesse, Verbraucher:innen mit direkt an sie gerichteter Werbung zu kontaktieren. Dies entschied das Landgericht Stuttgart am 25. Februar 2022 (AZ: 17 O 807/21), wie das Rechtsportal anwaltauskunft.de mitteilt. Damit wurde die datenschutzrechtliche Zulässigkeit von postalischen Werbeschreiben bekräftigt.

In der digitalen Ära ist die Frage der Direktansprache und der Verarbeitung personenbezogener Daten ein häufig diskutiertes Thema zwischen Datenschutz- und Wettbewerbsrecht. Das sogenannte Lettershop-Verfahren sieht vor, dass Werbetreibende den Inhalt ihrer geplanten Werbeschreiben bereitstellen, während die Adressierung und der Versand unmittelbar durch den Werbedienstleister oder einen beauftragten Subunternehmer erfolgen, ohne dass die genaue Adresse an den Werbetreibenden weitergegeben wird.

Das Landgericht Stuttgart hat in einer Entscheidung die datenschutzrechtliche Zulässigkeit von postalischer Direktwerbung im Kontext des Lettershop-Verfahrens bestätigt. Laut dem Gericht stellt die Direktwerbung ein „berechtigtes Interesse“ gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dar. Das Gericht argumentierte, dass Werbetreibende ein wirtschaftliches Interesse an der Übermittlung von Geschäftsinformationen haben, welches von der DSGVO anerkannt wird.

Die postalische Direktwerbung wurde als ein unverzichtbares Instrument betrachtet, um (Neu-)Kunden effektiv anzusprechen, insbesondere wenn kein anderes Mittel diesen Zweck gleichermaßen erfüllt. Eine sorgfältige Abwägung der Interessen wurde durchgeführt, bei der die Interessen des Werbetreibenden als nicht überwiegend gegenüber denen des Betroffenen eingestuft wurden. Daher wurde das Lettershop-Verfahren, bei dem der Werbetreibende nicht direkt auf die genaue Adresse des Empfängers zugreift, als datenschutzkonform betrachtet. Das Urteil liefert eine wichtige Klarstellung für Werbetreibende bezüglich der Nutzung personenbezogener Daten in der postalischen Werbung.

Informationen und eine Anwaltssuche: www.anwaltauskunft.de

Das Rechtsportal anwaltauskunft.de ist eine Leistung des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Vermietung von Wohnraum „pro Matratze“ sittenwidrig

Frankfurt/Berlin (DAA). Mietverträge, die Vermietung von Wohnraum „pro Matratze“ vorsehen, sind sittenwidrig und damit nichtig. Pächter der Häuser und somit „Vermieter“ der „Matratzen“ können bei Untersagung keinen Schadensersatz wegen Ausfall dieser Mieteinnahmen einklagen. Daher hatte eine beabsichtigte Klage eines Pächters nach fristloser Kündigung des Pachtvertrags auf Schadensersatz u.a. wegen dieser entgangenen Mieteinnahmen keine Erfolgsaussicht. Das entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 18. Mai 2022 (AZ: 2 W 45/22), berichtet das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“.

Der Antragsteller pachtete vom Antragsgegner im Frühjahr 2014 für zehn Jahre drei Gebäude in Wiesbaden. Er durfte die Gebäude für Wohnzwecke nutzen und untervermieten. Bei einer Kontrolle 2015 wurden in den Gebäuden 61 Personen angetroffen. In lokaler Berichterstattung wurde von Vermietungen von Wohnraum „pro Matratze“ an Bulgaren und Rumänen gesprochen, und dass das Gebäude verwahrlose. Nach Angaben des Ordnungsamtes waren in dem Objekt 85 Personen gemeldet.

Da sich an der Situation nichts änderte, und es wegen Vermüllung zu Rattenbefall kam, wurde der Pachtvertrag im Mai 2019 fristlos gekündigt. In der Folge verlangte der Antragsteller Zahlung von gut 100.000 € Schadensersatz, u.a. wegen entgangener Mieteinnahmen. 

Das Oberlandesgericht sah keine Erfolgsaussicht für eine entsprechende Klage und wies den Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Klage ab. Dem Antragsteller stünden keinerlei Zahlungsansprüche gegen den Antragsgegner zu. Das Pachtverhältnis sei wegen Verwahrlosung der Gebäude wirksam fristlos gekündigt worden. Der Antragsteller habe die Pachtsache vernachlässigt und dadurch gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen.

Ein Anspruch auf entfallene Mieteinnahmen stehe dem Antragsteller nicht zu. Eine Untervermietung der gepachteten Räume wäre angesichts des Zustands der Pachtsache schwer oder gar nicht möglich gewesen. Die Polizei habe im August 2019 festgestellt, dass der Aufenthalt von Menschen in den Räumen einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Eine Vermietung von Wohnraum pro Matratze sei sittenwidrig und führe zur Nichtigkeit der Untermietverhältnisse. Außerdem verstießen sie gegen das Verbot der Überbelegung von Wohnraum.

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Kostenübernahme für Sexualassistenz nach schwerem Arbeitsunfall

Hannover/Berlin (DAV). Eine selbstbestimmte Sexualität ist Voraussetzung für eine wirksame und gleichberechtigte Teilhabe und soziale Eingliederung des Menschen mit Behinderung. Daher muss nach einem Arbeitsunfall mit schweren Verletzungen und Folgen die Berufsgenossenschaft die Kosten einer Sexualassistenz im Rahmen eines persönlichen Budgets übernehmen. Das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“ informiert über eine Entscheidung des Sozialgerichts Hannover vom 11. Juli 2022 (AZ: S 58 U 134/18).

Der 1983 geborene Kläger erlitt am 27. Dezember 2003 auf dem Heimweg von seiner Berufsausbildungsstätte mit seinem PKW einen schweren Verkehrsunfall. Sein Auto wurde an der Fahrerseite getroffen und gegen ein weiteres Fahrzeug geschleudert.  Er erlitt schwere Verletzungen, unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Die Folgen waren unter anderem Wachkoma und eine ausgeprägte Lähmung aller Extremitäten. Am 15. April 2005 wurde der Kläger nach Hause entlassen, aber mit weiterhin bestehenden hochgradigen Funktionsbeeinträchtigungen. Er benötigt Hilfe bei allen Alltagsverrichtungen wie An- und Ausziehen, Körperpflege und Nahrungsaufnahme. Der Unfall wurde als Arbeitsunfall anerkannt. Seit dem 16. September 2006 bezieht der Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100. Das zuständige Versorgungsamt hat ferner einen Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen „aG“, „G“, „H“ und „B“ anerkannt.

Auf Antrag des Klägers schloss die Berufsgenossenschaft (BG) mit dem Kläger einen Budgetvertrag und bewilligte ihm Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Dazu gehörte auch ein persönliches Budget für Sexualbegleitung durch zertifizierte Dienstleisterinnen für den Zeitraum März 2016 bis insgesamt Februar 2018. Mit einem Folgeantrag wollte der Kläger weiterhin ein solches persönliche Budget ab März 2018. Dies lehnte die BG ab. Leistungen zur Befriedigung des Sexualtriebs fielen nicht unter den Bereich der Heilbehandlung oder Pflege. Es handele sich auch nicht um Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Die Befriedigung sexueller Bedürfnisse durch den Einsatz Prostituierter ermögliche oder erleichtere nicht die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft.

Der Mann war beim Sozialgericht erfolgreich. Die Leistungen zur sozialen Teilhabe beschränkten sich nicht darauf, Kontakte zur Außenwelt zu knüpfen oder Hilfsmittel zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens bereitzustellen. Vielmehr sollten sie auch das gestörte seelische Befinden des Behinderten verbessern und sein Selbstbewusstsein stärken. Sexuelle Bedürfnisse zählten zu den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen. Daher könnten sie daher im Rahmen von Teilhabeprozessen auch indirekt eine große Rolle spielen, nämlich für die persönliche Entwicklung und das seelische Befinden. Damit sei eine selbstbestimmte Sexualität Voraussetzung für eine wirksame und gleichberechtigte Teilhabe und soziale Eingliederung des Menschen mit Behinderung.

Informationen und eine Anwaltssuche: www.anwaltauskunft.de

Das Rechtsportal anwaltauskunft.de ist eine Leistung des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Keine Versicherungspflicht bei Umstellung von Ackerland in Ökofläche

Erfurt/Berlin (DAV). Wenn Landwirte auf stillgelegten Ackerflächen ausschließlich ökologische Maßnahmen durchführen, sind sie nicht als Unternehmer tätig. Damit entfällt ihre Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts vom 6. Mai 2021 (AZ: L 2 KR 1548/17). Dies ist etwa der Fall, wenn die Ackerflächen in Grünland umgewandelt werden, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Der Kläger führte auf einer intensiv als Landwirtschaft genutzten Fläche von fast 11 Hektar ökologische Maßnahmen durch. Die Eigentümerin hatte die Fläche zuvor durch Eintragung in ein sogenanntes Ökokonto entsprechenden Zwecken gewidmet. Der Boden sollte in mesophiles Grünland (Wiesen und Weiden, die von Arten dominiert werden, die mittlere Feuchtigkeits- und Temperaturverhältnisse bevorzugen) umgewandelt werden. Die Flächen wurden von Dritten gemäht; dafür erhielten sie die Mahd, ohne sie bezahlen zu müssen. Für die Maßnahmen bekam der Kläger Prämien vom Landwirtschaftsamt.

Die Landwirtschaftliche Kranken- und Pflegekasse meinte, der Kläger führe landwirtschaftliche Tätigkeiten durch, für die er Versicherungsbeiträge bezahlen müsse.

Der Mann unterliegt nicht der Versicherungspflicht, entschied das Gericht und gab der Klage statt. Der Kläger sei nicht als landwirtschaftlicher Unternehmer tätig gewesen. Seine Arbeiten wären keine landwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung. Vielmehr sollte die Fläche aus ökologischen Gründen in Übereinstimmung mit den einschlägigen Förderprogrammen stillgelegt werden. Es gebe keine Versicherungspflicht bei Landschaftspflege, die den Zielen des Natur- und Umweltschutzes diene.

Informationen: www.dav-sozialrecht.de

Quarantäne wegen Corona-Infektion – keine Gutschrift der Urlaubstage

Bonn/Berlin (DAV). Wer während seines Urlaubs wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne muss, bekommt seine Urlaubstage nicht gutgeschrieben. Ein Anspruch auf Nachgewährung besteht nur, wenn der Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn vom 7. Juli 2021 (AZ: 2 Ca 504/21), informiert die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Die Arbeitnehmerin hatte vom 30.11.2020 bis zum 12.12.2020 Urlaub. Nachdem sie sich mit Corona infizierte, musste sie auf behördliche Anordnung in der Zeit vom 27.11.2020 bis zum 07.12.2020 in Quarantäne. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Krankschreibung) lag für diesen Zeitraum nicht vor. Die Arbeitnehmerin klagte auf die Gewährung von fünf Urlaubstagen durch den Arbeitgeber.

Die Klage der Frau hatte keinen Erfolg. Für das Gericht lagen die Voraussetzungen nicht vor. Bei einer Erkrankung während des Urlaubs würden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeitstage auf den Jahresurlaub angerechnet. Die Klägerin habe aber keine Arbeitsunfähigkeit durch ein Attest nachgewiesen. Eine behördliche Quarantäneanordnung stehe einem ärztlichen Zeugnis über die Arbeitsunfähigkeit nicht gleich.

Eine analoge Anwendung der bestehenden Regelung scheide aus. Eine Erkrankung mit dem Coronavirus führe nicht zwingend und unmittelbar zu einer Arbeitsunfähigkeit.

Informationen: www.dav-arbeitsrecht.de

Teilnahme an Veranstaltungen bei krankheitsbedingten Störungen behinderter Menschen

Stuttgart/Berlin (DAV). Grundgedanke der Inklusion ist es, behinderte Menschen in die Gesellschaft zu integrieren. Dazu zählen auch Teilhaberechte wie der Besuch öffentlicher Veranstaltungen. Und zwar auch dann, wenn behinderte Menschen sichtbar anders sind oder durch unwillkürliche Lautäußerungen auffallen. Die Allgemeinheit hat diese krankheitsbedingten Störungen zu akzeptieren und hinzunehmen, um einer Diskriminierung entgegenzuwirken. Daraus folgt aber im Umkehrschluss, kein Anspruch behinderter Menschen, den Rundfunkbeitrag ermäßigen lassen können. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Februar 2021 (AZ: L 6 SB 3623/20).

Die mittlerweile 48jährige Klägerin ist verheiratet und hat zwei Töchter. Nach einem Schlaganfall im April 2016 wurde bei ihr ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt. Weiterhin wurde das Merkzeichen H (Hilflos) und ein Pflegegrad 3 anerkannt. Sie beantragt auch das Merkzeichen RF, also die Rundfunkgebührenermäßigung. Sie könne öffentliche Veranstaltungen wie Theater- und Kinobesuche aufgrund lauter Schreie nicht mehr besuchen. Da das Land den Antrag ablehnte, klagte die Frau.

Die Klage scheitert.

Der Frau sei die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, wie Konzertbesuche oder Vorträge und Sportveranstaltungen nicht ständig unmöglich, entschied das Gericht. Die Teilnahme sei nur dann unmöglich, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, damit allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist. Maßgeblich sei dabei allein die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme. Die Klägerin sei mit ihrem Rollstuhl und einer Begleitperson hinreichend mobil und könne so an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Daran ändere auch nichts, dass sie durch ihre Halbseitenlähmung womöglich Blicke auf sich ziehe, und andere Besucher sich durch ihr Verhalten gestört fühlten. Denn der auf die gesellschaftliche Teilhabe gerichtete Zweck des Merkzeichens „RF“ würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn man besonderen Empfindlichkeiten der Öffentlichkeit Rechnung tragen wolle. Behinderte sollten eben nicht „quasi weggeschlossen“ und deren Teilhabe verhindert werden. Deshalb stehe das Merkzeichen auch besonders empfindsamen Behinderten nicht allein deshalb zu, weil sie „die Öffentlichkeit um ihrer Mitmenschen Willen“ meiden.

Es dürfe gerade nicht darauf ankommen, inwieweit sich Teilnehmer an öffentlichen Veranstaltungen durch Behinderte gestört fühlen. Nur so werde einer Ausgrenzung von schwerbehinderten Menschen und damit auch einer Diskriminierung entgegengewirkt. Der Schwerbehinderte selbst müsse die öffentlichen Veranstaltungen so auswählen, dass er körperlich und geistig in der Lage sei, diesen weitestgehend folgen zu können. Dementsprechend reiche es nicht aus, dass sich die Frau gehindert sehe, Theaterveranstaltungen zu besuchen, weil sie den Abläufen nicht folgen könne, und Kinoveranstaltungen, weil sie durch aggressives Verhalten und laute Rufe auffalle. Die Allgemeinheit habe dies hinzunehmen.

Informationen: www.dav-sozialrecht.de

E-Ladesäule macht Supermarkt nicht zur Tankstelle – Keine Sonntagsöffnung

Berlin (DAV). Bietet ein Supermarkt auf seinem Parkplatz der Kundschaft kostenlos eine Lademöglichkeit für Elektrofahrzeuge an, wird aus dem Supermarkt keine Tankstelle. Er muss sich weiter an das Ladenöffnungsgesetz halten und darf nicht sonntags öffnen. Das Rechtsportal anwaltauskunft.de informiert über eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Juni 2021 (AZ: 4 L 162/21).

Die Antragstellerin betreibt einen Bio-Supermarkt. Auf dem Parkplatz hat die Kundschaft die Möglichkeit, kostenfrei E-Fahrzeuge aufzuladen. Kunden können den Parkplatz zudem für eine Stunde kostenlos nutzen. Die Klägerin berief sich auf eine Ausnahme im Ladenöffnungsgesetz. Demnach dürfen Tankstellen auch an Sonn- und Feiertagen öffnen. Das Bezirksamt untersagte ihr aber, den Supermarkt an Sonn- und Feiertagen zu öffnen. Sie könne sich nicht auf diese Ausnahmeregel berufen.

Den Antrag der Supermarktbetreiberin gegen diese Untersagung wies das Verwaltungsgericht zurück. Es läge keine Ausnahme nach dem Ladenöffnungsgesetz vor. Die Antragstellerin betreibe keine Tankstelle. Dabei komme es nicht darauf an, ob eine Ladestation für E-Fahrzeuge überhaupt unter den Begriff Tankstelle falle. Denn die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass die Ladestation gewerblich angeboten werde. Die Lademöglichkeit sei vielmehr eine untergeordnete Nebenleistung zum eigentlichen Betrieb des Supermarkts. Das Angebot richte sich kostenfrei ausschließlich an Kunden und diene somit in erster Linie der Kundenbindung.

Informationen und eine Anwaltssuche: www.anwaltauskunft.de

Unfallschaden: Auch unnötige Reparaturen erhält der Geschädigte ersetzt

Köln/Berlin (DAV). Nach einem Verkehrsunfall darf der Geschädigte als Laie auf den Sachverständigen oder die Fachleute in der Werkstatt vertrauen. Das so genannte Werkstattrisiko liegt beim Schädiger. Der Betroffene erhält die komplette Rechnung ersetzt, auch wenn Unnötiges draufsteht. Dafür muss er dann einen möglichen Anspruch gegen die Werkstatt an die gegnerische Versicherung abtreten. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Köln vom 30. Dezember 2020 (AZ: 276 C 133/20).

In dem von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall, ging es um die Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall. Die alleinige Haftung war unstreitig. Der Kläger ließ sein Fahrzeug in einer Werkstatt reparieren. Die gegnerische Versicherung ersetzte nicht alle Positionen auf der Rechnung, sondern zog rund 375 € ab. Hierbei würde es sich um unnötige Reparaturen handeln. Betroffen waren die Verbringung des gesamten Fahrzeugs zur Lackiererei, die Fahrzeugreinigung und die Reparatur der Anhängersteckdose.

Grundsätzlich trifft auch den Geschädigten eine Schadensminderungspflicht, so das Gericht. Dies folgt dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Dennoch hatte die Klage Erfolg und der Geschädigte erhielt auch diese Kosten ersetzt. Allerdings muss er seine möglichen Ansprüche gegen die Werkstatt an die Versicherung abtreten. Dieser hat dann die Möglichkeit, die Kosten von der Werkstatt zurückzuverlangen.

Das Gericht stellte auf die Kenntnis und die Einflussmöglichkeiten des Geschädigten ab. Danach bemesse sich das Wirtschaftlichkeitsgebot. Es gehe darum, was ihm selbst als wirtschaftlich vernünftig erscheint. Grundsätzlich dürfe das Unfallopfer auf ein Gutachten oder die Fachleute in der Werkstatt vertrauen. Die Reparatur in einer Werkstatt liege grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Schädigers. Deshalb müssten zunächst auch die Kosten für mögliche unnötige Arbeiten oder überhöhte Preise oder Arbeitszeiten erstatten werden. Der Schädiger trage das Risiko für ein solches Verhalten der Werkstatt.

Im vorliegenden Fall war nicht ersichtlich, dass der Geschädigte sich als Laie mit der Lackierung von Fahrzeugen auskennt. Die Klage war daher erfolgreich. Mögliche Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Werkstatt musste er an die beklagte Versicherung abtreten.

 

Jagdaufseher ist bei Hochsitzreparatur gesetzlich unfallversichert

Osnabrück/Berlin (DAV). Ein Jagdaufseher, der sich bei der Reparatur eines Hochsitzes verletzt, steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht. Dies folgt aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Osnabrück vom 24. September 2020 (AZ: S 17 U 193/18). Der Jagdaufseher arbeitet wie ein Arbeitnehmer. Ähnlich wie bei einem Hausmeister kommt es auch nicht darauf an, dass er konkret beauftragt wurde, diesen Hochsitz zu reparieren, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Der 1943 geborene Kläger ist hauptberuflich als Kfz-Meister selbstständig tätig. Er hat seit 1998 die Jagderlaubnis für die Eigenjagd in einem anderen Revier. Als er einen Hochsitz für den Revierinhaber reparierte, stürzte der Kläger von einer Leiter. Er hatte keine Jagdwaffen dabei. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Sturzes als Arbeitsunfall ab. Sie meint, der Kläger sei im Jagdrevier als sogenannter Begehungsscheininhaber tätig geworden. Daher unterliege er nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch sei er nicht wie eine "Wie-Beschäftigter" zu behandeln. Der Kläger wäre gegenüber dem Revierinhaber nicht weisungsgebunden gewesen.

Der Kfz-Meister und Jäger argumentierte, der Jagderlaubnisschein sei ihm unentgeltlich erteilt worden. Als Gegenleistung müsse er Hochsitze und Ansitzleitern bauen und reparieren, Wildäcker bearbeiten sowie die Wildfütterung und die Jagdaufsicht im Revier des Revierinhabers vornehmen. Die Einzelheiten würden zu Beginn jedes Jahres abgesprochen. Die Möglichkeit der zeitlich freien Gestaltung stehe der arbeitnehmerähnlich ausgeübten Tätigkeit nicht entgegen.

Die Klage des Jägers auf den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung war erfolgreich. Das Gericht war der Auffassung, dass ein Arbeitsunfall vorliege. Es habe eine arbeitnehmerähnlich ausgeübte Tätigkeit vorgelegen. Zwar habe der Kläger frei den Zeitpunkt und auch die Art und Weise der Reparaturarbeiten bestimmen können. Alle Maßnahmen in dem fremden Jagdrevier bewegten sich aber innerhalb der vom Revierinhaber vorgegebenen grundsätzlichen Maßgaben. Daher bestehe sehr wohl die für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit typische Weisungsgebundenheit. Auch dann, wenn der Revierinhaber den Kläger nicht konkret zur Reparatur des Hochsitzes, bei der es zum Unfall kam, angewiesen hatte. Die grundsätzliche Absprache reiche aus.

Informationen: www.dav-sozialrecht.de